Sind wir mal ehrlich, für den Körper ist der Schichtdienst eine echte Herausforderung. Die einen nehmen diese leichter, für die anderen ist es alles andere als einfach. Ich habe mich mit Iris Heil, einer Oecotrophologin und qualifizierten Diät- und Ernährungsberaterin VFED unterhalten und sie zum Thema Ernährung im Schichtdienst ausgefragt.
Wie beeinflusst der Schichtdienst das Essverhalten und unser körperliches Wohlbefinden?
Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, müssen ihren kompletten Tagesrhythmus ihrer Arbeit anpassen und damit natürlich auch ihre Mahlzeiten. Eine besondere Herausforderung sind dabei häufig wechselnde Schichten (früh/spät) und Nachtschichten.
Beim Essen entwickelt jeder von uns im Laufe seines Lebens ein persönliches Essmuster, eine Struktur, die individuell zu uns passt. Es gibt Menschen, die morgens noch nichts essen können und lieber die Hauptmahlzeit am Abend einnehmen. Andere brauchen ein “ordentliches” Frühstück als gute Basis zum Start in den Tag. Die Schichtarbeit greift oftmals in diese Struktur ein und sorgt zudem dafür, dass meist weniger Zeit für die einzelnen Mahlzeiten bleibt. Aus Zeitmangel greifen wir oft zu schnell verfügbaren Lebensmitteln von Imbissen, vom Bäcker, nehmen Süßigkeiten oder verzichten ganz auf‘s Essen. Außerdem ist es dem Arbeitnehmer im Schichtdienst unter Umständen nicht mehr möglich, am gemeinsamen Essen mit dem Rest der Familie teilzunehmen.
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden haben auch geänderte, vor allem verkürzte Schlaf- und Ruhephasen. Wer wegen wechselnder Schichten schlecht oder weniger schläft, ist auch weniger fit und ausgeruht, weil der Körper den Schlafentzug als Stress empfindet. Schlafmangel führt sogar zu einer Änderung des Hunger- und Sättigungsgefühls. Arbeiten Menschen auch nachts, leidet vor allem unser zentrales Stoffwechselorgan: die Leber. Diese hat ihre Hochleistungsphase mitten in der Nacht, wenn wir für gewöhnlich schlafen. Kommt der Körper zwischen 1 und 3 Uhr jedoch nicht zur Ruhe, fällt der Leber der Abbau von Stoffwechselprodukten und Giftstoffen viel schwerer.
Alle diese Faktoren können dafür sorgen, dass wir unter Müdigkeit, Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden leiden, dass wir Übergewicht bekommen oder häufiger krank werden.
Wie kann ich dem mit den passenden Nahrungsmitteln entgegenwirken
Neben einer ausreichenden Energieversorgung sind verschiedene Nährstoffe wichtig, die unsere Nerven und das Immunsystem stärken. Dies sind etliche B-Vitamine, Vitamin C, Vitamin E, der Mineralstoff Magnesium und das Spurenelement Zink.
Die beste Art, alle diese Nährstoffe aufzunehmen, ist eine möglichst bunte und vielseitige Essweise: Gemüse, Obst, Kartoffeln, Getreide, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Eier, Saaten & Nüsse und gute pflanzliche Fette. Wenn nur eine oder wenige dieser Lebensmittelgruppen wegfallen, kann das gut mit anderen kompensiert werden. Ist das Essen jedoch sehr einseitig (z. B. täglich lediglich 3 belegte Brötchen), kommen viele wichtige Nährstoffe zu kurz.
Die unterschiedlichen B-Vitamine, die unsere Nerven brauchen, finden sich in vielen Lebensmitteln - Vitamin B12 jedoch nur in tierischen. Beim völligen Verzicht auf tierische Lebensmittel sollte es daher als Nahrungsergänzung eingenommen werden. Auch Magnesium benötigen wir für die Nerven und im Muskel. Hier sorgt es für die Entspannung. Der Mineralstoff findet sich in Saaten, Nüssen, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und bestimmten Mineralwässern. Hier lohnt sich ein Blick auf das Etikett. Eine große Portion Magnesium enthält übrigens Kakao. So erklärt sich auch der Griff zur Schokolade als „Nervennahrung“.
Antioxidativ wirken die Vitamine C und E. Besonders viel Vitamin C enthalten Hagebutte und Sanddorn (z. B. als Saft), alle Kohlgemüse, Paprika, Kiwi und Zitrusfrüchte. Reich an Vitamin E sind vor allem Pflanzenöle. Viel Zink für eine gute Immunabwehr steckt in Fleisch, Hülsenfrüchten, Nüssen, Milchprodukten und Haferflocken.
Wer darüber hinaus noch seine Leber pflegen möchte, kann dies mit bitteren Lebensmitteln, wie Artischocken, Radicchio, Rucola, Endiviensalat und Grapefruit, tun.
Welche Nahrungsmittel bieten sich wann an, damit ich zur richtigen Zeit wach bleibe und zur passenden Zeit Schlafen kann?
Wer in Früh- oder Spätschicht arbeitet, kann seinen Mahlzeitenrhythmus an den individuellen Tagesrhythmus anpassen. Also entsprechend früher oder später das Frühstück, Mittagessen und Abendessen einnehmen.
Für genügend Energie an der Arbeit sorgen vor allem „langsame“ Kohlenhydrate, also Vollkorngetreide, die den Blutzuckerspiegel stabil halten und lange satt machen. Durch ihren Anteil an Fett und Eiweiß sind Milchprodukte, Wurst und Eier ebenfalls gute Sattmacher. Auch Obst passt prima in die erste Mahlzeit des Tages. Wer Kalorien sparen möchte, wählt am besten von Natur aus fettarme Lebensmittel (Schinken, Frischkäse, Joghurt), aber besser keine Light-Produkte. „Light“ bedeutet zwar häufig weniger Fett, jedoch dafür mehr Zucker und Zusatzstoffe in unserem Essen.
Für unterwegs eignen sich belegte Brote oder vorbereitete Müslis, mundgerecht geschnittenes Gemüse und Obst, Rohkostsalate, Fruchtquark… Denn hier geht – wie so oft im Leben – nichts über eine gute Vorbereitung. Bei Frühschicht natürlich am besten schon am Vorabend. Wenn es zuhause beim Kochen schnell gehen soll, darf man übrigens auch gerne zu tiefgekühltem Gemüse greifen. Das enthält noch alle wertvollen Inhaltsstoffe, da es frisch nach der Ernte eingefroren wird. Für zwischendurch finde ich Nüsse oder Mandeln super praktisch: die sind gut zu transportieren, kleckern nicht und helfen schnell durch ein kleines Energietief. Wer relativ zeitnah nach der letzten Mahlzeit schlafen möchte, sollte etwas Leichtes wählen. Dazu bieten sich Suppen und gegarte Gemüsegerichte an oder nach einer Nachtschicht auch Joghurt mit Früchten und ähnliches.
Für die Arbeit in der Nachtschicht habe ich noch zwei weitere Tipps: Zum einen vertragen viele Menschen nachts keine schweren Gerichte oder Rohkost, weil das Verdauungssystem bereits im Schlafmodus ist. Wer sich also nach dem späten Essen regelmäßig unwohl fühlt, sollte auch hier zu etwas Leichtem greifen. Zum anderen sinkt unsere Körperkerntemperatur gegen 3 Uhr morgens auf ihren niedrigsten Wert ab. Dann hilft ein warmes Getränk oder eine heiße Brühe, um fit zu bleiben.
Bei all diesen Empfehlungen sollte vor allem berücksichtigt werden, was uns individuell gut schmeckt, bekommt und guttut. Denn auch wenn ein Lebensmittel allgemein als „gesund“ gilt, kann es sein, dass wir es individuell nicht gut vertragen. Dies gilt zum Beispiel für Rohkost, Vollkorn- oder Milchprodukte. Der beste Berater ist und bleibt deshalb das eigene Bauchgefühl.
In diesem Sinne wünsche ich allen Pflegekräften im Schichtdienst eine schöne und abwechslungsreiche Arbeitszeit, entspannte Ruhepausen, einen erholsamen Schlaf und ein gutes Bauchgefühl.